Das Brautkleid der Müllerin
Besucher erlebten beim Mühlentag vor originalgetreuer Kulisse altes Handwerk
BAD WESTERNKOTTEN Die Stufen führen steil nach oben in die Schlafkammer des Müllerehepaars der Schäferkämper Wassermühle. Man muss aufpassen, dass einem keiner entgegen kommt oder dass man sich beim Aufstieg nicht an den Kopf stößt. Und so warten am unteren Ende der Treppe geduldig mehrere Gäste darauf, dass sie ins Obergeschoss der historischen Müllerwohnung steigen können, während sich eine andere Besuchergruppe Stufe für Stufe vorsichtig nach unten tastet. Der jüngste Mühlentag hat trotz Regens viele Menschen zur Schäferkämper Wassermühle nach Bad Westernkotten gelockt. Organisiert hatten das Fest die Heimatfreunde Bad Westernkotten. Zufrieden ist deren Vorsitzender Dieter Tölle. Er führt die Besucher stilecht im blauen Müllerhemd durch das Gebäude und erklärt ihnen geduldig nicht nur das Mahlhandwerk, sondern erzählt auch, wie die letzte Müllerin Katharina Thiemann gelebt haben muss. „Sie hat es nach dem Tod ihres Mannes nicht leicht gehabt und sich mit dem Knecht bei schweren Arbeiten durchgeschlagen. 1933 wurde der Betrieb eingestellt“, erzählt er.
Ein Blickfang in der Müllerwohnung ist das schwarze Brautkleid der letzten Müllerin. „Es wäre schön, wenn wir dafür noch eine geeignete Schaufensterpuppe finden würden. Dann könnten wir das Kleid ausstellen“, meint er.
Darüber hinaus geben das alte Mobiliar und alte Buttertröge sowie andere Haushaltsgeräte Einblick in das Leben vor rund hundert Jahren. Das gewerbliche Leben eines Müllers nehmen dagegen im Erdgeschoss Hans-Joachim Rocholl und Ferdinand Mönnig im wahrsten Sinne des Wortes aufs Korn, Sie zeigen den Besuchern, wie anno dazumal gemahlen wurde. Und so sieht man den alten Mahlgang, wie er sich bewegt. Der Fußboden vibriert ringsumher.
Auch im Obergeschoss, wo die Bänder rotieren und die Mühle in Betrieb halten, hat man das Gefühl, dass es überall klappert. Nur der Müllerknecht liegt noch in seiner Kammer im Bett und schläft. Etliche Gäste schauen bei ihm um die Ecke. Die Puppe des Knechts, die lebensecht aussieht, erweist sich als Publikumsmagnet. „Wenn ich hier bin, muss ich immer nachschauen, ob er noch da liegt“, sagte eine Besucherin und lächelt glücklich, während ein paar Kinder erstaunt um die Ecke blicken.
Wem der Besuch der Mühle allein nicht genügte, hatte indes die Möglichkeit, Kunsthandwerkern bei ihrer Arbeit zuzuschauen. Unter anderem produzierten einige Frauen am Spinnrad Wolle und Fäden. Derweil ließ sich Annerose Tölle bei der Weißstickerei über die Schulter schauen.
Auch Nina Neufeld zog die Blicke vieler Interessierter auf sich. Sie zeigte, wie man die Sitze von Stühlen flicht und in Ordnung bringt. Wer sich dagegen stärken wollte, hatte dazu bei Kaffee, Kuchen und Würstchen die Möglichkeit.